Die Goldenen Regeln des schlechten Diskussionsstils
* Vorwort
* Der richtige Umgang mit der Gegenposition (Regeln 1-4)
* Allgemeine Taktik (Regeln 5-8)
* Der richtige Umgang mit dem Diskussionsgegner (Regeln 9-14)
* Der richtige Umgang mit Betroffenen (Regeln 15-16)
* Stilistische Hinweise (Regeln 17-20)
* Murphys Gesetze der Internet-Diskussionen
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Vorwort: Diskussionen im Internet sind faszinierend.
Es fetzt, es knallt und nicht selten möchte ich die Diskutierenden gerne noch zusätzlich anfeuern!
Leider werden fast alle Diskussionsforen inzwischen moderiert, so daß das volle Talent der Beteiligten nicht mehr so richtig zur Geltung kommt! Die folgenden Regeln habe ich nach sorgfältiger Analyse der diversen Diskussionsforen zusammengestellt. Mögen sie dazu beitragen, die Diskussionen so richtig spannend zu machen und das letzte an schillernder Argumentation aus den Kontrahenden herauszuholen!
Ich wage sogar zu sagen, daß auch professionelle Forumsaufmischer hier noch etwas lernen können!
1. Es gibt keine Gegenposition! Manchmal wird behauptet, für eine Position
gäbe es Argumente und Gegenargumente. Das ist natürlich Unsinn!
Wer will die schon alle gegeneinander abwägen? Wenn Sie recht haben, haben
Sie recht und brauchen sich nicht mit Gegenargumenten zu belasten. Führen
Sie nur die Argumente für Ihre Position ins Spiel! Gehen Sie auf
Gegenargumente nicht ein! Beschimpfen Sie Leute, die auf Ihre Position mit
Gegenargumenten reagieren als Spielverderber, Idioten, Radikale oder Dummköpfe.
2. Es gibt höchstens eine extreme Gegenposition! Sie haben doch auf ein
Gegenargument reagiert und nun wissen Sie nicht weiter? Pech, aber noch
kein Grund zu verzweifeln: Steigern Sie die Gegenposition in ihre radikalst
mögliche Ausprägung und jeder wird einsehen, daß sie nicht haltbar ist. Sie
vermeiden dadurch weiterhin dieses mühsame Abwägen von Argumenten und
Gegenargumenten. [Beispiele: In der Diskussion über Kinderkrippen will Ihr
Diskussionsgegner seine Kinder nicht tagsüber betreut wissen, er will sie
abschieben, loswerden. In der Staatsbürgerschafts diskussion will er keine
Integration in verschiedene Gesellschaften, sondern eine allgemeine
Beliebigkeit, Chaos. In der Promillediskussion will er nicht zwei Bier
trinken, sondern besoffen Auto fahren. Ist er gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft, dann vertritt er "Ausländer raus".] Wenn Ihr
Diskussionsgegner das abstreitet, dann sagen Sie ihm, er sei nicht
konsequent. Ihr Diskussionsgegner steigert nun seinerseits Ihre Position
bis sie absurd klingt? Eröffnen Sie ein Sonderforum und gehen Sie aufeinander los!
3. Die Gegenposition ist auf jeden Fall schlechter als die eigene
Position! Wenn Sie vor einem größeren Publikum schreiben, das im
Hintergrund mitliest, ist die Steigerung in die radikalste Ausprägung
manchmal zu plump. Dann bietet sich die ungenaue Argumentation als
eleganteres Mittel an. Ungenaue Argumentation ist viel einfacher als
exaktes Abwägen von Argumenten und Gegenargumenten und klingt dabei oft
erstaunlich überzeugend (jedenfalls viel besser als ein einfaches Vorgehen
nach Regel 1 oder 2). [Jeder weiß schließlich, daß für ein Kind die eigene
Mutter besser ist als ein Heim. Folglich muß das Zuhause besser sein, als
der Kindergarten. Jeder weiß daß zwei Staatsangehörigkeit en mehr sind als
eine. Folglich führt die doppelte Staatsangehörigkeit in ein allgemeines
Durcheinander.] Konkreter brauchen Sie nicht zu werden! Wer dies anders
sieht, kann vermutlich nicht logisch vergleichen, bzw., nicht eins und eins zusammen zählen!
4. Die Gegenposition kann höchstens ausnahmsweise mal stimmen! Ihr Gegner
hat ein vernünftiges Beispiel gebracht? Gestehen Sie ihm zu, daß es solche
Beispiele gibt, aber erklären Sie sie als Ausnahme oder sogar als nicht
relevant. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Wenn Ihr
Diskussionsgegner persönliche Beispiele bringt, ist er sowieso nicht
objektiv. In diesem Fall ist sein Beispiel garantiert nicht relevant. Gut,
daß sie ihm erklären können, worum es eigentlich geht!
5. Nur auf das Große Ganze kommt es an! Lassen Sie sich nicht auf die
Ebene der Alltagsprobleme und der kleinlichen praktischen Umsetzung herab!
[Beispiele: In der Staatsbürgerschafts diskussion sind Eltern, die im
Ursprungsland krank werden und Schlangestehen für ein Visum nicht das
eigentliche Problem, sondern Nebeneffekte, Kleinkram. In der
Vereinbarkeitsdisku ssion von Kindern und Karriere sind Öffnungszeiten von
Kindergärten und die lächerliche Alltagsorganisation nicht der Punkt, auf
den es ankommt.] Ihre Analysen sind tiefergehend und schließlich wissen
Sie, was wirklich zählt! Berufen Sie sich auf das Kindeswohl, die
allgemeine Ordnung und auf das Gemeinwohl, vor denen kleinliche
Eigeninteressen zurücktreten müssen. Wenn es gerade nicht Ihre Interessen
sind, die zurücktreten sollen, umso besser! Dann sind Sie besonders objektiv!
6. Nur Ihre Frage ist richtig gestellt! Oft sind Fragen von Anfang an
falsch gestellt. Manchmal versuchen andere Diskussionsteilnehm er, eine
Frage zu erweitern oder einzugrenzen. Lassen Sie sich bloß nicht darauf
ein! Erklären Sie jedem sofort, worüber hier diskutiert wird und worüber
nicht. Dies nennt sich Definitionsgewalt. Und die liegt selbstverständlich bei Ihnen!
7. Ihre Position ist statistisch belegt! Suchen Sie nach einer Statistik,
die Ihre eigene Position stützt. Überlegen Sie nie, ob die gleiche
Statistik auch die Gegenposition belegen könnte. Schließlich ist die
Gegenposition falsch! Daß Statistik auch falsche Positionen stützt, ist
zwar leider richtig, in diesem Fall aber nicht relevant. Denn Ihre Position
ist schließlich richtig!
8. Ihr Diskussionsgegner kann nicht logisch denken! Manche Leute
behaupten, bei Diskussionen spiele die unterschiedliche Gewichtung
verschiedener Argumente eine Rolle. Das ist Unsinn! Wer alle Argumente
kennt und logisch denken kann, muß immer zu dem gleichen Ergebnis kommen
wie Sie! Ein anderer Blickwinkel zeigt nur, daß Ihr Gegner nicht kapiert
hat, worauf es ankommt. Vermutlich kann er nicht logisch denken. Es kann
nur zu seinem Besten sein, wenn er dies von Ihnen erklärt bekommt!
9. Ihr Diskussionsgegner hat keine Ahnung von der Sachlage! Vermutlich hat
er nach Feierabend immer Comics gelesen, während Sie in den richtigen
Tageszeitungen die Hintergrundsbericht e studiert haben. Stand nicht gestern
in Ihrer örtlichen Tageszeitung ein Hintergrundsbericht über die Wirkung
von Ozon auf den Menschen oder die demographische Entwicklung zu Beginn des
letzten Jahrhunderts auf dem Land? Gehen Sie sofort (bevor Sie es wieder
vergessen haben) in alle Diskussionforen, in die das passen könnte und
erklären Sie den Dilettanten, die diesen Bericht nicht kennen, daß sie in
dieser Diskussion nichts zu suchen hätten. Gehen Sie hinterher auch in die
Diskussionsforen, in die das eigentlich nicht paßt, denn wer solch
grundlegende Tatsachen nicht weiß, kann eigentlich nirgendwo mitreden.
10. Ihr Diskussionsgegner hat keine Erfahrung! Sie waren mal im Urlaub in
Indonesien, haben in Ihrer Jugend Fußball gespielt und kürzlich einen
Selbstverteidigungs kurs besucht? Dann sind Sie in allen Diskussionsforen
automatisch Fachmann für die 3. Welt, Gewalt und Kriminalität und wissen,
was der Innenminister und der Fußballbundestraine r alles falsch machen.
Quellensuche haben Sie nicht nötig! Lassen Sie sich bloß nichts von Leuten
erzählen, die hier ihr angelesenes Wissen zur Schau stellen. Nur Sie kennen die Welt!
11. Ihr Diskussionsgegner verkompliziert alles unnötig! Dabei ist die
Realität so einfach! Abtreibung ist Mord! Soldaten sind Mörder! Asylanten
sind Betrüger (mindestens)! Feministinnen sind mindestens häßlich! Lassen
Sie sich bloß nicht auf philosophische Diskussionen oder juristische
Haarspaltereien ein! Bilden Sie die Wirklichkeit auf plakative Slogans ab,
das reicht völlig! Ansonsten gilt hier natürlich die Regel 1. Wenn Sie
Ihren Standpunkt ausschmücken wollen, dann schwelgen Sie in einer
Beschreibung der Begriffe "Mord" oder "häßlich", das versteht wenigstens
jeder. Aber richtig bildlich, sonst überzeugt es nicht!
12. Ihr Diskussionsgegner hat eine eingeschränkte Sichtweise! Oder sogar
ein eingeschränktes Weltbild! Was auch immer Sie vorbringen, er
interpretiert es auf seine Art. Und natürlich falsch! Alles sieht er durch
seine Brille! Er unterstellt Ihnen Intentionen, die Sie nie geäußert haben
und Schlußfolgerungen, auf die Sie nie gekommen wären. Warum kann er nicht
einfach Ihre Sätze nehmen, wie sie sind? Er macht sich ein Bild von Ihnen,
was einfach nicht zutrifft! Vermutlich macht er sich sogar sein Bild
darüber, wie Sie aussehen! Und dies ist totsicher auch wieder falsch!
Erklären Sie ihm (sachlich), daß er nicht das Recht hat, Ihre Sätze einfach
auf seine Art zu interpretieren. Niemand darf das!
13. Ihr Diskussionsgegner will Sie nur ärgern! Abgesehen davon, daß er
nicht recht hat, gibt es auch sonst gar keinen Grund, diese Diskussion vom
Zaun zu brechen. Wenn beispielsweise Opfer des Nationalsozialismus über den
Holocaust reden, dann wollen sie nur die Deutschen damit ärgern. Denn
ansonsten gibt es selbstverständlich keinen Grund, über so etwas reden zu
wollen. (Hier hat mich die Debatte um die Walserrede zur Verleihung des
Friedenspreises 1998 inspiriert.) Aber auch bei weniger dramatischen
Zusammenhängen wollen Ihre Diskussionsgegner immer nur Sie und Ihre
Interessensgruppe ärgern: Wenn Grüne über Benzinpreiserhöhung en
diskutieren, dann wollen sie die Autofahrer ärgern, wenn Europa über Haider
diskutiert, dann soll die österreichische Bevölkerung geärgert werden. Das
ist immer so! Ärgern Sie sich, aber sagen Sie Ihren Diskussionsgegnern, was
Sie von ihnen halten!
14. Ihr Diskussionsgegner ist schlecht! Unterstellen Sie ihm immer eine
böse Absicht. Lassen Sie keine Entschuldigungen zu. Glauben Sie nicht, daß
ihm je etwas aus "Versehen" passieren könnte. Behandeln Sie Dinge, die
eintreten könnten wie Dinge, die schon eingetreten sind. Wer Auto fährt
will z.B. andere Menschen überfahren. Wer einmal bei zu hoher
Geschwindigkeit erwischt wurde, hätte dabei jemanden töten können. Und das
ist so, als ob er dies wirklich getan hätte. Machen Sie ihm das klar! Wenn
Sie selbst zu schnell fahren, dann passiert natürlich hoffentlich nichts.
Ihre Teilnahme an den Diskussionsforen im Internet wird Sie schützen! Das
gleiche Prinzip gilt im Umgang mit Kampfhundbesitzern, Autofahreren,
Rauchern, Müll- Nichttrennern und anderen uneinsichtigen Zeitgenossen.
15. Betroffene können niemals objektiv sein! Diskutieren Sie deshalb
vorzugsweise als Mann in einem Forum über "Frauen und Feminismus", als
Deutscher in einem Forum zur "Doppelten Staatsbürgerschaft" und als
Autofahrer im "Allgemeinen Deutschen Fahrradclub". Ihr völlig neuer
Blickwinkel ist dort sicher noch niemandem bekannt, ganz abgesehen davon,
daß solche Gruppierungen nicht Ihre Intelligenz und Erfahrung mitbringen
können. Voriges Lesen der anderen Beiträge ist in diesem Fall überflüssig,
erklären Sie ohne Umschweife und in epischer Breite Ihre Sicht der Dinge.
Einige Leute dort werden dies vermutlich nicht zu schätzen wissen, aber das
ist nur der Neid der zu kurz gekommenen. Erklären Sie klipp und klar, daß
Sie sich nicht ausgrenzen lassen und daß Ihre Kritiker voreingenommen sind.
Die Art, wie man dort mit Ihnen umspringt, ist der beste Beweis!
16. Betroffene wollen immer Extrawürste! Frauen wollen mehr Sicherheit nur
für Frauen (und womöglich noch eigene weibliche Bezeichnungen in der
Sprache!), Radfahrer wollen Extra-Radwege, die der Allgemeinheit den Platz
wegnehmen, Ausländer wollen sogar 2 Staatsbürgerschafte n, wo der gemeine
Deutsche nur eine haben soll! Nicht mit Ihnen! Zum Glück gehören Sie keiner
Interessensgruppe an und lassen sich das nicht bieten! Treten Sie als Mann,
Autofahrer und Deutscher1 in den diversen Splitterforen auf und vertreten
Sie die Allgemeinheit! Fordern Sie, daß alles so bleibt wie es ist! Für Sie
gab es schließlich noch nie Privilegien und Sie wollen auch für die Zukunft keine!
Bis hierher waren die Ratschläge rein inhaltlich. Jetzt müssen Sie
natürlich Ihre eigenen Beiträge noch sprachlich entsprechend aufbereiten,
damit sie auch ihre Wirkung voll entfalten können. Je nach dem geistigen
Niveau der anderen Diskussionsteilnehm er lassen sich hier 2 Fälle
unterscheiden:
17. Fall A: Sie diskutieren mit Idioten! In diesem Fall sind an Sie selbst
sprachlich keine Grenzen gesetzt. Von Idioten sollten Sie sich sogar
unbedingt maximal abgrenzen! Leiten Sie Ihr Posting schon entsprechend ein,
z.B. mit dem Satz "Haben Sie immer noch nicht kapiert, worauf es hier
ankommt?!!" oder "Haben Sie immer noch nicht kapiert, daß wir hier über x
und nicht über y diskutieren!!!" Sparen Sie nicht mit Ausrufezeichen und
Großschreibung! DAS SIEHT SO AUS, ALS OB SIE SCHREIEN, KAPIERT !!!!!!!
Außerdem merkt dann jeder, daß Sie genervt sind (außer natürlich den
Idioten, mit denen Sie sich gerade rumärgern). Dann werden die vernünftigen
Leute schon Ihre Partei ergreifen. [Verbündete sind in Diskussionsforen ja
alles, aber das gibt irgendwann ein Extra-Kapitel.]
Als Schlußsatz eignet sich u.a. die Wendung "JETZT KAPIERT?!! " oder auch
"IMMER NOCH NICHT KAPIERT?? - SCHADE!!" Oder auch die Wendung, sie
hätten das Posting Ihres Diskussionsgegners gar nicht gelesen, weil es Ihnen zu
blöd war. Oder nur bis zu einem bestimmten Satz gelesen, der Ihnen zu blöd
war. [Natürlich lesen Sie es dann trotzdem, denn möglicherweise findet sich
ja weiter hinten ein noch viel besserer Angriffspunkt. Und den wollen Sie
sich ja nicht entgehen lassen!]
Vorsicht ist mit der Ankündigung geboten, Sie würden in Zukunft nie mehr
die Postings des Betreffenden lesen. Mit Sicherheit wird er bald etwas so
Blödes schreiben, daß Sie dann einfach nicht den Mund halten können und
dann müssen Sie zugeben, daß Sie die ganze Zeit doch heimlich weiter
mitgelesen haben. Hier ergibt sich voll und ganz das Problem von Herbert
Wehner: "Wer rausgeht, muß auch wieder reinkommen!" KAPIERT??!!!
;-)
18. Fall B: Ihre Diskussionsgegner zeigen eine gewisse
Mindestintelligenz (wenn sie natürlich auch längst nicht an Ihre
Intelligenz heranreicht!) In diesem Fall müssen Sie etwas subtiler
vorgehen. Anschreien, Ärger zeigen, nicht-lesen, etc. sind hier fehl
am Platz und werden von Ihrem Gegner vermutlich als unsachlich
gebrandmarkt werden. Also Vorsicht! Viel erfolgversprechende r ist es
hier, wenn Sie psychologisch werden, aber bleiben Sie dabei auf jeden
Fall sachlich und objektiv! Erklären Sie Ihrem Gegner, was er alles
falsch macht, aber unbedingt emotionslos. Gemeint sind hier keine
inhaltlichen Statements zum Streitpunkt selbst! Sondern Statements,
die sich einzig auf Ihren Diskussionsgegner beziehen, so in der
Art:"Leider können Sie nicht logisch denken. Sie sehen alles nur durch
Ihre Brille. Sie haben ein eingeschränktes Weltbild. Man merkt, daß
Sie Probleme mit sich selbst haben." (Lesen Sie zur Stoffsammlung die
Punkte 8 bis 15.) Von Ausrufezeichen ist hier eher abzuraten, denn die
wirken zu emotional. Wenn Sie Angst haben, daß Sie zu dick auftragen,
dann verbinden Sie es mit gutgemeinten Ratschlägen, wie es besser
klappen könnte. Raten Sie Ihrem Gegner, sachlicher zu werden, seine
eigene Sicht der Dinge einmal kritisch zu überprüfen, vor dem
Hinschreiben einmal nachzudenken, etc. Fügen Sie am Ende unbedingt den
Satz ein, dies Statement sei kein Angriff und nicht gegen ihn
persönlich gerichtet, denn schließlich wollen Sie ja dann zur
eigentlichen Diskussion zurück.
19. Lassen Sie Kritik an sich selbst nicht zu! Kritiker nerven sowieso nur
und wer ist schon kompetent genug, um Sie zu kritisieren? Zum Glück gibt es
eine Reihe von Worthülsen und Tricks, die Ihren Kritikern von vornherein
die Lust nehmen - ob Sie nun mit Idioten diskutieren oder mit überlegenen
Gegnern (obwohl es die natürlich nicht gibt). Wenn Sie z.B. jemand für ein
politisch nicht korrektes Statement kritisiert (und zwar selbst für ein
politisch extrem nicht korrektes Statement im Stil von "Ich freue mich, daß
es in xy gerade viele Unfalltote gab, denn ich kann die sowieso alle nicht
leiden"), dann können Sie den "Ewig Betroffenen" ins Feld schicken.
Betroffenheit hat sich im Internet in letzter Zeit etwas abgenutzt. Wo viel
provoziert wird, gibt es viele Ermahner, die aber virtuell natürlich nicht
viel bewirken können, außer sich selbst zu distanzieren. D.h., daß Sie
darauf ganz lässig antworten können: "Ach, wieder so ein Ewig Betroffener!"
und daß voraussichtlich die Kritik nachlassen oder zumindest nicht weitere
Kreise ziehen wird. Der "Ewig Betroffene" und er der "Gutmensch" sind
inzwischen geradezu ideale Schlagworte, um Kritiker mundtot zu machen und
sich ungestört den Weg durch die Foren zu bahnen.
Ansonsten können Sie auch Ihr Statement im nachhinein als lustig
erklären, oder einfach ohne nähere Begründung über Ihre Kritiker
lachen. Oder ihm ohne weiteren Kommentar rechtgeben und ihn damit ins
Leere laufen lassen. Oder Sie diskutieren gleich unter 2 verschiedenen
Identitäten, von denen einer provoziert und der andere die Kritiker
auslacht. Wichtig ist nur, daß diese im Forum nicht überhand nehmen.
Aber wenn Sie es geschickt anstellen, sollte das nicht passieren.
20. Wenn ein Forum explodiert ... Manchmal läßt sich im Internet das
Phänomen beobachten, daß ein ganzes Forum mit einem lauten Knall
explodiert. Dies passiert meistens dann, wenn eine ganze Reihe von Leuten
sich gleichzeitig an diese Regeln halten. Meistens passiert dies bei
Themen, die eine gewisse moralische Komponente beinhalten (dann ist es den
meisten fast unmöglich, neutral zu bleiben) und bei denen die Argumente pro
und contra gleichermaßen überzeugend (Beispiel: Kopftuchstreit in Schulen)
oder für den Laien gleichermaßen schwer zu verstehen sind (Beispiel:
Atomkraft). In solchen Konstellationen neigen viele automatisch zur
Befolgung der Regel 1 ("Es gibt keine Gegenposition"). Und dann wird es
interessant. Sobald außerdem mehr als 3 Positionen aufeinanderprallen, wird
Form (Regeln 16-19) und Inhalt (Regeln 1-15) unentwirrbar. Einige werden
dann Ihrer Meinung sein, aber Ihre Form daneben finden, andere werden Ihnen
inhaltlich widersprechen und Ihre Form noch zusätzlich daneben finden. Der
oder die eine oder andere wird die Stimmung zusätzlich anheizen, um dabei
die "Goldenen Regeln" ganz genau zu lernen... Die Zahl der Leute, die im
Hintergrund mitlesen, steigt jedenfalls in solchen Momenten exponentiell
an, ebenso die Zahl der Leute, die Partei ergreifen. Nach kurzer Zeit ist
dann der Streit um die Sache vermischt mit einem Streit darüber, wer nun
was gesagt hat, bzw., wer was wie gemeint hat, was überhaupt ausgesprochen
werden darf und über welche Frage überhaupt diskutiert wird.
Und böse Zungen behaupten, seit Veröffentlichung dieser Regeln, sei dieses
Phänomen noch häufiger zu beobachten, aber das ist sicher nur eine
böswillige Verleumdung!
Murphys Gesetze der Internet-Diskussionen:
Auch wenn Sie im Internet den größten Schwachsinn schreiben (aus Ironie,
Ärger, Versehen oder nur zum Spaß), auch wenn Sie die unglaublichsten
Behauptungen aufstellen, es wird sich immer jemand melden, der dies ernst
genommen hat!
Auch wenn Sie für die absurdeste Behauptung eine Quelle suchen - im
Internet werden Sie fündig!
Nachwort: Die Diskussionen auf meiner Seite sind mit dieser satirischen
Überspitzung natürlich nicht gemeint. Ganz im Ernst: Ich freue mich sehr
darüber, wie sachlich die bisher eingereichten Beiträge ausgefallen sind.
Nur bei 2 Emails (die deutlich als nicht zur Veröffentlichung bestimmt
waren), hat es mich in den Fingern gejuckt, sie als abschreckendes Beispiel
hier darzustellen. Aber ich habe ja im Vorwort zur Diskussionsseite
versprochen, so etwas nicht zu tun!
Bei den Beispielen zu den Regeln habe ich mich ehrlich bemüht, auch
Negativbeispiele zu meinen Positionen und Positivbeispiele zu den
Gegenpositionen zu finden. Das ist mir nicht immer gelungen! Vermutlich
liegt es daran, daß meine Positionen richtig sind ;-)
Jemand fragt, ob ich nun besonders "gelungene" Forumsbeiträge hier
verlinken will? Nach reiflichem Nachdenken will ich's lieber nicht, denn
dies hier soll ja lustig bleiben! Die richtig destruktiven Beiträge dienen
mir als Stoffsammlung, sie hier an den Pranger zu stellen, würde wohl
allgemein als Racheakt aufgefaßt (wär's ja wohl auch)
© Roland Reimers